Einführung Über Hypnose und Suggestion gibt es unzählige Bücher, dicke Wälzer und schmale Hefte, einführende und zusammenfassende Werke, Leitfäden für Ärzte und Anleitungen für Laien. Meist wird das Thema lediglich im Zusammenhang entweder mit Selbsthilfe, oder medizinisch-psychologisch abgehandelt. Und obwohl der Begriff Hypnose durchaus auch immer wieder in Büchern über Massenpsychologie, Sektenunwesen, Werbung und politischer Beeinflussung auftaucht, ist mir kein einziges Werk bekannt, das die Phänomene Hypnose und Suggestion in der vollen Bandbreite ihrer Erscheinungsformen würdigt oder gar erklären könnte. Soweit es die »klassische Hypnose« betrifft, ist es relativ leicht, einen Einblick für Außenstehende in das faszinierende Gebiet zu schaffen, aber um wissenschaftliche Informationen zu finden über Hypnose im Alltag, in politischen Parteien, in Massenversammlungen, durch Presse und Werbung, also dort, wo es jeden von uns betrifft, muß man mühsam in scheinbar völlig fremden Bereichen graben. Es liegt wohl an der zunehmenden mißlichen Spezialisierung der Fachgebiete, daß die Wissenschaftler heutzutage keine umfassenden Theorien mehr zustande bringen. Das vorliegende Buch benutzt zweierlei Denkansätze, um dem Thema möglichst weitgehend gerecht zu werden: zum einen die klassische Theorie und Anwendung aus zwei Jahrhunderten mehr oder weniger gesicherter Erkenntnis, zum anderen wird untersucht, wie sich bereits lange, bevor der Mensch existierte, Erscheinungen in der Kommunikation von Lebewesen herausbildeten, die einerseits der klassischen Definition von Hypnose und Suggestion genügen, andererseits auch der Theorie entsprechen, daß es sich bei den hypnotischen Phänomenen um eine Zurückschaltung auf entwicklungsgeschichtlich ältere Verhaltensmuster handelt. Wie Sie sehen werden, entwickeln sich aus beiden Denkansätzen sehr viele Bezugspunkte und Gemeinsamkeiten - wir spüren hypnotische Phänomene auf in Bereichen, in denen man sie so bisher nicht vermutete. Auf diese Weise wird zeitlich und räumlich ein weiter Bogen gespannt, der einen umfassenden Überblick über ein faszinierendes Gebiet gibt - soweit dies auf 124 Seiten möglich ist. Daß hierbei zwangsläufig gelegentlich scheinbar gesicherte Erkenntnis der Spekulation weichen muß, liegt in der Natur der Sache. Ich denke aber, daß Sie gerade hierdurch Anregung erhalten werden, Hypnose in Ihrem Alltag zu entdecken oder sich noch eingehender mit der Thematik zu beschäftigen. Den Gepflogenheiten der vorliegenden Reihe folgend habe ich meine Quellen nicht immer ausführlich erwähnt, sondern in einer Liste empfehlenswerter Bücher zum Thema am Schluß zusammengefaßt. Zitate habe ich zum Teil gekürzt und gelegentlich sprachlich umgestellt. Unterstreichungen stammen grundsätzlich von mir und sollen auf das für das jeweilige Kapitel Wesentliche hinweisen. Hypnose - Heilmittel oder Scharlatanerie? Es läßt sich folgende Szene vorstellen: In einem Bürohaus durchquert ein Angestellter schnurstracks das Vorzimmer seines Chefs, schiebt die entgeisterte Sekretärin beiseite, dringt in eine Vorstandssitzung ein, geht auf den Chef zu, umarmt und küßt ihn und beglückwünscht ihn freudestrahlend, daß die Aktien des Unternehmens wieder einmal gestiegen seien. Dann lacht er allen Anwesenden zu und geht hutschwenkend an seine Arbeit, als wenn nichts wäre. Dieter E. Zimmer beschreibt eine ähnliche fiktive Szene in einem Buch über Verhaltensforschung, um zu zeigen, daß wir festgelegten Ritualen zu folgen haben, die abzuändern oder zu durchbrechen schlechterdings unmöglich ist, des sei denn, wir wollen uns »unmöglich machen«. Diese Rituale haben mit Logik nichts zu tun, denn von der Logik her verhielt sich der Angestellte ja durchaus erfreulich. Glauben Sie, Sie könnten sich so verhalten, wie der beschriebene Angestellte? Man kann Menschen hypnotisieren und ihnen dann einen sogenannten posthypnotischen Befehl geben, z.B. am nächsten Tag etwas derartiges zu tun. Unser Angestellter wußte nicht, daß man ihm in Trance einen Auftrag gab und so wird er je nach Intelligenz versuchen, sich zu entschuldigen oder sein Verhalten irgendwie zu erklären. Wie reagierten die Beteiligten auf den seltsamen Auftritt? Zumindest im ersten Moment entgeistert wie die Vorzimmerdame, sprachlos, erschrocken, vor Schreck wie gelähmt? Auch das hat mit Hypnose zu tun. Wir reagieren auf ungewöhnliche Ereignisse mit einer Art hypnotischem Zustand. Derartige Reaktionen können Sie in Fernsehsendungen wie »Vorsicht Kamera« oft beobachten. Obwohl Hypnose in allen Lebensbereichen auftritt, wurde sie bisher (außer vielleicht in der Massenpsychologie) nur von Medizinern und Psychologen genauer untersucht. Aspekte, die nicht in das Raster dieser Disziplinen passen, wurden weitgehend übersehen. Der Arzt lernt über die Hypnose, daß man »durch bestimmte Maßnahmen einen eigenartigen Zustand psychischer Veränderung herstellen kann, den man den hypnotischen Zustand, oder auch hypnotische Trance nennt. Diese Maßnahmen haben die Gemeinsamkeit, daß sie den Menschen passiv machen und sind an folgende Bedingungen gebunden: 1. Einwilligung der Versuchsperson (Vp), 2. Kooperation der Versuchsperson, 2. entsprechende Körperhaltung (liegend oder 4. keine Ablenkung durch Außenreize, 5. Monotonie und Einengung auf einzelne Reize, 6. innere Sammlung, 7. hierdurch nicht selten eine sich von selbst einstellende beeindruckende innere Umschaltung, 8. bestimmte automatische Abläufe und das Gefühl, Was sind nun die Besonderheiten dieses Zustandes? Immer wieder liest man, daß Vp, denen man einredet (suggeriert), es sei sehr kalt im Raum, heftig zu frieren beginnen oder daß sich im Gegenteil sogar Brandblasen auf der Haut bilden können aufgrund der Vorstellung, man werde von einem glühenden Gegenstand berührt oder daß Menschen herzhaft in eine Zitrone beißen und glauben, es sei ein Apfel usw. Solche Versuche werden seit etwa hundert Jahren in den Hörsälen der Universitäten vorgeführt. Der Arzt Ludwig Mayer schildert, wie ein junger Medizinstudent (vor Publikum) in tiefer Trance den Auftrag (Suggestion) erhält, sich vorzustellen, Professor X sei anwesend, und wünsche, sich mit ihm zu unterhalten. Bei der imaginären Begegnung solle der Student selbst auch mit der Stimme des Professors sprechen. Die Unterhaltung ist lebhaft, man widerspricht sich, geht aufeinander ein, der Student versucht, seine eigene Meinung gegen die des Internisten durchzusetzen. Nach fünf Minuten greift Mayer ein und sagt, der Professor hätte einen wichtigen Anruf und müsse sich verabschieden. Dann wird der Student aus der Trance zurückgeholt und gebeten, das Erlebnis zu schildern. Er sagt: »Ich bin eben Herrn Professor X vorgestellt worden, bei dem ich in diesem Semester höre. Wir haben uns über das heutige Kolleg unterhalten. Es war sehr interessant, nur schade, daß er so rasch fortmußte, denn ich hätte noch allerhand zu fragen gehabt.« Auf Einwendungen von Mayer und eines Zuhörers entgegnet der Student fast heftig: »Er war aber doch hier, ich weiß doch, was ich sage. Sie können ja bei ihm anrufen, er wurde nur rasch zu einem Patienten gerufen. Ich habe genauso mit ihm gesprochen, wie ich jetzt mit Ihnen spreche.« Der Student ist entrüstet, daß man ihm nicht glaubt, obwohl er weiß, daß Mayer Versuche mit hypnotischer Trance vorführt. Er wäre bereit, vor Gericht zu beschwören, daß die Begegnung stattfand. »Hypnotische Trance ist dadurch charakterisiert, daß gewisse Vorstellungen von außen oder innen (Suggestionen) eine fast unbeschränkte Herrschaft über die Vp ausüben können - solche Vorstellungen können auch nach der Beendigung der Trance zwanghaft nachwirken,« schreibt Schultz sinngemäß in seinem Lehrbuch der Hypnose. Dabei spielt er auch auf die eingangs geschilderte posthypnotische Suggestion an. Man kann einem Hypnotisierten »befehlen«, daß er nach der Sitzung z.B. einer anwesenden Dame die Handtasche stehlen und unter herumliegenden Zeitschriften verbergen werde. Auch dieser Versuch wurde von Mayer vorgeführt. Er suggerierte: »Sie werden diesen drückenden Zwang, der Sie zur Ausführung des Befehls treibt, immer deutlicher spüren. Ihr Bewußtsein wird so davon erfüllt werden, daß Sie sich ihm nicht widersetzen können, sondern gegen alle Vernunftgründe dem hypnotischen Auftrag gemäß handeln werden.« Die Vp wird dann aus der Trance geholt, ist von Unruhe erfüllt, schielt schon nach der bezeichneten Tasche, während Mayer noch versucht, sie abzulenken, atmet unruhig, erhebt sich mit gerötetem Gesicht. Erst nach einigen Minuten schafft sie es, sich der Dame zu nähern, und entwendet dann durchaus trickreich die bezeichnete Tasche und verbirgt sie befehlsgemäß. Erst nach dieser Tat wirkt die Versuchsperson wieder normal. Auf Befragen erklärt sie lebhaft: »Die ganze Zeit hat es mich beunruhigt, daß die Tasche herunterfallen könnte. Vielleicht ist etwas Zerbrechliches darin? Deswegen habe ich sie lieber weggenommen und dort auf den Tisch gelegt.« Auch diese Versuchsperson ist nicht von ihrer Version abzubringen und leugnet jeden möglichen Zusammenhang mit Hypnose. Dies demonstriert ein weiteres Hypnose-Phänomen: die Amnesie, d.h. es werden Dinge, die in Trance gesagt oder getan werden, nicht erinnert, einfach vergessen, besonders, wenn man dieses Vergessen ausdrücklich suggeriert. Erst nachdem man die Vp erneut hypnotisiert hat und ihr befiehlt, sich an alles zu erinnern, kann sie den Vorgang vollständig schildern. In den bisher erwähnten Fällen waren die Vp durchaus aktiv, wenn man sie aber ruhig liegen läßt, so wirken sie »äußerlich betrachtet so, als ob sie ruhig schlafen würden, alle Körperfunktionen sind gelöst, Arme und Beine sind locker und fallen der Schwerkraft folgend, nieder, wenn man sie anhebt. Ein- und Ausatmung dauern etwa gleichlang,« schreibt Schultz sinngemäß. Und weiter: »Namhafte Ärzte, die sich während der Trance selbst beobachtet haben, berichten übereinstimmend, daß am Beginn einer normal verlaufenden Trance ein ausgesprochenes Wohlgefühl im Vordergrund steht, oft begleitet von einem »eigentümlichen Wärmegefühl«. Sehr bald macht sich dann ein »gewisses Schweregefühl«, besonders in den Extremitäten, bemerkbar und je nach Veranlagung der Versuchsperson zeigen sich nun bald visuelle oder akustische Vorstellungen, wie man sie im normalen Wachleben nicht kennt.« Hier sei eine kritische Anmerkung gestattet: Schultz wurde beim Erlernen und der Anwendung der Hypnose von anderen Ärzten beeinflußt. Er erwartete von seinen Versuchspersonen, was seine Lehrer ihn gelehrt hatten. Diese Erwartungen wurden meist erfüllt, entweder, weil die Versuchspersonen diese Lehren ebenfalls kannten, oder weil sich die Erwartungen bewußt oder unbewußt als Suggestionen übertrugen. Er schreibt von dem »eigentümlichen Wärmegefühl«, und dem »gewissen Schweregefühl« so, als ob alle oder zumindest sehr viele Versuchspersonen dieses spüren müßten. Wenn aber weder Hypnotiseur, noch Versuchsperson irgendwelche Erwartungen an den hypnotischen Zustand hegen, dann dürfte ein Gefühl der Leichtigkeit am Beginn der Trance ebenso häufig auftreten, wie ein Schweregefühl. Auch wird relativ häufig Kälte gefühlt, wenn nichts anderes suggeriert wird. Leider hat Schultz sein Autogenes Training auf diesen scheinbar typischen Körpergefühlen aufgebaut, das kann sich dort sehr fatal auswirken. Hierüber mehr im entsprechenden Kapitel. Schultz führt sinngemäß weiter aus: »Das innere Erleben bleibt recht ziellos, wenn es nicht durch den Versuchsleiter beeinflußt wird. Dieser kann jedoch durch gewisse Suggestionen die Empfindungen bestimmter Sinnesorgane beträchtlich verstärken und die Versuchsperson veranlassen, sich auf diese einseitig zu konzentrieren, so daß nichts anderes mehr wahrgenommen wird. Hierdurch und durch die erlebnissteigernde Konzentration nach innen können sich erstaunliche Mehrleistungen der Sinnesorgane, des Gedächtnisses, der intuitiven Erfassung ergeben. Durch das bildhaft-träumerische Erleben können vergessen geglaubte Erinnerungen aufsteigen und Hemmungen abgelegt werden. Dies ist oft sehr eindrucksvoll, das so geförderte Material muß jedoch einer strengen Kritik unterzogen werden, da besonders in tieferen hypnotischen Zuständen Phantasien auftreten können, die so überzeugend sind, wie echte Erinnerungen.« Hier sei die sog. »Reinkarnations-Therapie« erwähnt, deren bedeutendster Vertreter Thorwald Dethlefsen sein dürfte. Sie beruht auf dem obengenannten Effekt, daß in tiefer Trance äußerst lebendige »Erinnerungen an frühere Leben« aufsteigen können. Wenn man diese Erlebnisse therapeutisch bearbeitet, lassen sich manchmal bedeutende Besserungen erzielen. Ganz gleich, wie man wissenschaftlich darüber denken mag: Entscheidend scheint mir zu sein, daß die Methode wirkt. Ein Mann leidet immer wieder unter einseitigen »unerklärlichen Stichen« unterhalb der Rippen. In Trance erlebt er eine Szene im Mittelalter, bei der er an genau dieser Stelle von einer Lanze getroffen wurde. Nach der Sitzung kann er beschwören, daß es sich um eine Erinnerung an ein früheres Leben handeln müsse, denn die Szene war absolut authentisch. Das Wiedererleben derartiger »Erinnerungen« kann auf ähnliche Weise heilend wirken, wie die Bewußtmachung frühkindlicher Traumata; jedenfalls gehören solche Fälle zum Alltag jedes Hypnotherapeuten. Die Wissenschaft hat bisher nur die Symptome und Erscheinungsformen der Hypnose studiert, verläßliche Theorien gibt es nicht. Zur Erklärung der Hypnose schreibt Meyers Lexikon lediglich: »Die genaue Natur der Hypnose ist gegenwärtig nicht bekannt. Vieles deutet darauf hin, daß im hypnotischen Zustand physiologische Gegebenheiten, besonders in phylogenetisch (stammesgeschichtlich) alten Hirnteilen mit psychologischen Bedingungen, etwa der Identifizierung, verzahnt sind. Auf diese Weise kommt es wahrscheinlich zu Blockierungen in der Großhirnrinde, wodurch sensorische und motorische Umsteuerungen möglich sind.« Gelegentlich ergeben sich Mißverständnisse dadurch, daß der Begriff Hypnose und damit zusammenhängende Begriffe auf verschiedene Weise benutzt werden. »Hypnose« benutze ich möglichst nur für das gesamte Phänomen, manchmal aber auch für die Technik der Hypnose, im Sinne von »die Hypnose beherrschen.« »Trance« benutze ich für den hypnotischen Zustand, ich sage also statt »sich in Hypnose befinden«, »sich in Trance befinden.« »Hypnotherapie« steht für die Anwendung der Hypnose zu Heilzwecken. Den Hypnotisierenden nenne ich »Hypnotiseur«, ganz gleich, ob er die Trance willentlich oder unwillentlich hervorruft. Handelt es sich aber um Therapie, in welcher der Trance-Zustand immer absichtlich und im beiderseitigen Einverständnis erreicht werden soll, so nenne ich den Hypnotiseur »Hypnotherapeut«. »Suggestion« ist laut Lexikon eine »starke Beeinflussung des Denkens, Fühlens, Wollens oder Handelns eines Menschen unter Umgehung der rationalen Persönlichkeitsanteile.« Trance, Hypnose und Suggestion hängen folgendermaßen zusammen: 1. Je tiefer die Trance, um so empfänglicher ist man für Suggestion. 2. Trance kann durch Suggestion hervorgerufen und vertieft werden. 3. Hypnose als Technik wendet Suggestion zur Beeinflussung an, sowohl bei der durch Fremde hervorgerufenen als auch bei der Selbsthypnose. 4. Fremd- und Autosuggestion können Trance erzeugen, vertiefen, und in der tiefen Trance wirkt Suggestion stärker als im »normalen« Zustand. Man kann den hypnotischen Zustand auf vielerlei Weise definieren, ich werde für das Phänomen in diesem Buch immer wieder neue Definitionen vorschlagen, anstatt zu versuchen, eine zwar allgemeingültige, aber einengende Definition zu finden. War Eva von der Schlange hypnotisiert? Die Ursprünge der Hypnose Haben Sie schon einmal eine Katze beobachtet? Wie sie sich an ihre Beute anschleicht, oder wie sie vor einem Mauseloch sitzt? Die Katze starrt nicht nur mit den Augen auf das Mauseloch, sondern ist wirklich mit ihrem ganzen Wesen fixiert, ihre Wahrnehmung richtet sich ausschließlich auf ein Objekt, und nur ein sehr starker Reiz kann diese Fixierung wieder lösen. Offensichtlich gibt es einen Instinkt, der eine derartig starke Konzentration ermöglicht, und es ist ebenfalls offensichtlich, daß dieser Instinkt dem Überleben dient. Wenn man sich nicht auf eine Sache konzentrieren könnte und nicht fähig wäre, mit Hilfe dieser Konzentration die Wahrnehmung seiner Umgebung weitgehend auszuschalten, so würde man seinen Wahrnehmungsapparat überlasten und wahrscheinlich zerstören. Wenn eine Katze sich auf alles gleichzeitig konzentrieren wollte, dann müßte sie jeder Bewegung um sich herum folgen und würde »innerlich zerrissen werden«. Ein wunderbarer Effekt dieser Fähigkeit zur Konzentration besteht darin, daß auch Reize, die aus dem Inneren kommen, ausgeschaltet werden können, sofern sie nicht übermächtig Gefahr signalisieren. Das heißt für uns Menschen, daß wir z.B. Schmerzen nicht mehr empfinden, wenn wir uns sehr stark auf etwas anderes konzentrieren. Damit ist schon gesagt, daß der Mensch genauso wie jedes Tier die Fähigkeit zur totalen Konzentration besitzt. Je höher die Lebensform, desto besser die Konzentrationsfähigkeit auf bestimmte Wahrnehmungen. Kein Tier dürfte allerdings bewußt eine Auswahl dessen treffen können, auf was es sich konzentriert - dies ist dem Menschen vorbehalten. Man könnte definieren: Im hypnotischen Zustand konzentriert man sich auf eine oder einige wenige Wahrnehmungen und schließt bestimmte andere Wahrnehmungen aus. Die Überschrift dieses Kapitels fragt: »War Eva von der Schlange hypnotisiert?« Würde man die biblische Geschichte wörtlich nehmen, so wäre die Antwort Ja. Eine plötzlich auftauchende Schlange, die einen anstarrt (und dann womöglich noch spricht) würde jeden hypnotisieren. Es dürfte schon aus Gründen des Überlebens richtig sein, sich nicht zu bewegen und »wie gebannt« jede Bewegung des Tieres zu verfolgen. Vielleicht ist es auch eine Art »Sich-Totstellen« im Angesicht der Gefahr, allerdings bei gleichzeitigem hellwachen Wahrnehmen, damit man einerseits die Schlange durch eine Bewegung nicht zum Beißen animiert, andererseits blitzschnell flüchtet, falls sie doch hierzu Anstalten machen sollte. Die Fähigkeit, in Trance zu gehen, ist überlebenswichtig und wahrscheinlich allen Tieren eigen. Wer Chef sein will, muß hypnotisieren können Ein rangniederes Pavianmännchen macht eine aggressive Gebärde, sofort richtet sich der Ranghöchste auf und wirft einen durchdringenden Blick. Nützt dies nichts, so beginnt er mit einer Anzahl eindrucksvoller Drohgebärden: den Brustkorb blähen, Zähne zeigen, einen Baum schütteln, Lärm machen. Diese Handlungen stellen nicht etwa einen Angriff dar, sondern wollen zeigen, daß ein Kampf keinen Sinn hat. Es sind ritualisierte Gebärden, wie der Verhaltensforscher sagt. Die adäquate Verhaltensweise auf eine Drohgebärde (wenn der Rivale nicht kämpfen will) kann nur die Demutsgebärde sein, d.h. das Tier wird passiv. Das kann bedeuten: den Kopf neigen, sich hinlegen (= Brust und Hals ungeschützt darbieten), erstarren, sich totstellen. Solche Verhaltensweisen erinnern an Hypnotiseur und Hypnotisierten. Fast alle Drohgebärden finden sich in abgeänderter Form als Hypnosetechniken wieder, fast alle Demutsgebärden sind auch beim Menschen Verhaltensweisen, wie sie in Trancezuständen auftreten. Tiere benutzen folgende Mittel, um zu drohen: Prachtkleider, Lautäußerungen, Gesänge, Trommeln auf die Brust oder gegen Bäume (Schimpansen), Gerüche, ritualisiertes Beißen, Drohen mit Waffen, sich größer machen, sich aufrichten, auffällige Muster und Farben zeigen, Mähnen schütteln, Hautkämme aufrichten, Flossen oder Federn spreizen. Diese Verhaltensweisen sind angeboren. (Nach Eibl-Eibesfeldt.) Manche Naturvölker benutzen Trommeln oder Gongs, um in Trance zu gehen. Kriegstrommeln schüchtern den Gegner ein. Monotone Gesänge sind ein uraltes Mittel, auch größere Menschenmengen in Trance zu versetzen. Ritualisierte Tänze, oft mit eindrucksvollen (vergrößernden) Masken, prächtigen Kleidern erfüllen einen ähnlichen Zweck. Aus solchen Ritualen haben sich Oper, Theater, Konzerte, religiöse Darbietungen, musikalische Veranstaltungen entwickelt. Der ursprüngliche Sinn eines lauten und farbenprächtigen Rituals enthüllt sich ganz eindeutig bei der militärischen Parade, auch hier sieht man vergrößernde Gebärden (Stechschritt?), Farbenpracht, auffällige Muster, sich vergrößern (man denke z.B. an die hohen Fellhüte der engl. »Beefeaters«), Epauletten, Federn, Zeigen blinkender Waffen, usw. Die Fixation glänzender Gegenstände ist ein altes und beliebtes Mittel, Trance zu erzeugen - Orden und Waffen haben seit uralten Zeiten zu blinken. Der Sinn der Drohsignale ist es, die als selbstverständlich angenommene aggressive Verhaltensweise eines anderen Tieres in etwas anderes abzuändern. Das Tier will keinesfalls kämpfen, sonst würde es ja direkt angreifen - es will eine Verhaltensänderung, es will, daß sich das andere Tier unterordnet. Dies ist auch der Wunsch, der hinter jeder Truppenparade, und im Grunde (neben anderer Motivation) hinter jeder hypnotisierender Manipulation steckt, sofern es sich nicht um Therapie handelt. Denn man kann davon ausgehen, daß in jedem Individuum und in noch größerem Maße in einer Gruppe ein aggressives Potential steckt, das es zu besänftigen gilt. Grüßen Sie einmal eine Woche lang keinen Ihrer Freunde und Bekannten, und Sie werden sehen, wie groß dieses aggressive Potential selbst bei Ihnen wohlgesonnenen Menschen ist! Ein Gruß ist ja auch nichts anderes, als ein Ritual, das der Beschwichtigung dient - untersuchen Sie die Feinheiten gewisser Grußformen und rituale und Sie werden die gesamte Bandbreite vom Zeigen von Unterwürfigkeit bis zur Drohgebärde darin finden können. Ein Gruß ist ein hypnotischer Reiz, Sie reagieren normalerweise automatisch darauf, indem Sie dem korrekten Ritual folgen. Die Entfaltung von Pracht, Farben und Formen schüchtert ein und fördert Trance ebenso, wie das Demonstrieren von Größe oder Ungewöhnlichem, nie Gesehenem. Auch die Kirche bedient sich aus diesem Reservoir, hierbei denke man auch an die Wirkung von Gerüchen, wie Weihrauch. Noch augenfälligere Parallelen zum menschlichen Verhalten ergeben sich, wenn man das Verhalten von Tieren bei der Liebeswerbung untersucht. »Zwischen den Mitgliedern einer Art wirken sowohl anziehende, wie abstoßende Kräfte. Überaus häufig ist nämlich der Artgenosse auch Träger aggressionsauslösender Signale, die der Annäherung eine Barriere entgegensetzen. Diese Barriere muß jedoch zu gewissen Zeiten überwunden werden, so z.B. wenn Männchen und Weibchen zur Paarung zusammenkommen sollen.« »Der Kontaktaufnahme dienen vielerlei Werbezeremonien. Durch besondere Verhaltensweisen und Signale wird der Geschlechtspartner zunächst einmal angelockt, danach seine Kontaktscheu abgebaut, und die Verhaltensweisen der Partner werden aufeinander so abgestimmt, daß die Befruchtung ermöglicht wird. Der Anlockung über größere Distanzen dienen die Duftstoffe verschiedener weiblicher Insekten ebenso, wie die Werbegesänge der Vogel- oder Heuschreckenmännchen. Die Vogelmännchen stellen sich durch ein besonderes Imponiergehabe auffällig zur Schau. Fregattvogelmännchen warten mit aufgeblasenem leuchtend rotem Kehlsack auf vorüberkommende Weibchen. Paradiesvögel entfalten ihr Prachtgefieder in oft ganz absonderlichen Stellungen.« »Wohl die eigenartigsten Balzgewohnheiten zeigen die Laubenvögel Australiens und Neuguineas, die besondere Balzplätze säubern, Lauben bauen und schmücken und so gewissermaßen ein ablegbares Prachtkleid schaffen. Der Langschopflaubenvogel, einer der Maibaumlaubenvögel, wählt einen geraden Schößling und schmückt ihn mit Reisern und Flechten. Um diesen Maibaum tanzt er werbend, wobei er die auffälligen Nackenfedern sträubt. Der Kurzschopflaubenvogel baut um einen Schößling eine zeltartige Bühne und schmückt sie mit Früchten, Blumen, Schneckenschalen und bunten Käfern.« »Der Geschenkkorblaubenvogel baut eine Art Kreuzganglaube mit einer zentralen korbartigen Kabine. Links und rechts davon baut er einen Wall und schafft so zwei zusätzliche Gänge. Die zentrale Kabine schmückt er mit graublauen Kieseln, die seitlichen Gänge mit bläulichen Ficus-Früchten. Auf dem Balzplatz liegen einige rote Früchte verstreut. Nähert sich ein Weibchen, dann nimmt er eine rote Frucht in den Schnabel und präsentiert sie werbend.« schreibt der Verhaltensforscher Eibl-Eibesfeldt. Man könnte solche Beispiele endlos fortsetzen. Die Parallelen zu kirchlichen Ritualen, Bauten und Zeremonien sind frappierend. Alle beschriebenen Verhaltensmuster dienen bei den Tieren einem Zweck: die angeborenen individuellen und evtl. aggressiven Verhaltensweisen des Partners durch Hingabe, Ruhe, Unterwürfigkeit, Passivität zu ersetzen. Das gleiche möchte der Pfarrer bei seiner Gemeinde, das Kaufhaus bei seinen Kunden, der Staat bei seinen Untertanen, der Guru bei Anhängern erreichen. Interessant ist, daß die bei Eibl-Eibesfeldt beschriebenen, relativ niederen Tiere doch schon fast die gesamte Bandbreite der auch vom Menschen angewandten Möglichkeiten nutzen. Wir haben Hypnose damit gewissermaßen auf ihren Ursprung zurückgeführt. Man könnte definieren: Hypnose ist die Außerkraftsetzung bestimmter angeborener, meist aggressiver Verhaltensweisen und das Hervorrufen anderer, weniger aggressiver Verhaltensmuster. Diese Definition ist sehr umfassend und dehnt die bisher recht begrenzte Domäne der Hypnose in Raum und Zeit sehr weit aus. Definitionen haben mit der Wirklichkeit ja an sich überhaupt nichts zu tun - eine Rose bleibt eine Rose, ganz gleich, wie und womit man sie definiert. Aber Definitionen können uns helfen, uns auf gewisse Erscheinungen und Gesetzmäßigkeiten aufmerksam zu machen. Manche Bücher erwähnen, daß es Hypnose schon im alten Ägypten, China, Indien usw. gab. Oft werden dann die Quellen nicht angegeben, so daß man das nur schwer nachprüfen kann. Naturgemäß sind solche Quellen auch nur sehr schwer zugänglich und es wäre sicherlich eine Lebensaufgabe, in alten Inschriften, auf Tontafeln und in heiligen Büchern nach Hinweisen auf die Hypnose zu suchen. Ich habe in zwei Fällen nachgeprüft, was es mit solchen Hinweisen auf sich hat, und kann daher nur vor leichtfertigen Schlüssen warnen. Was bei den alten Indern, sowie im Zen-Buddhismus wie eine Anleitung zur Selbsthypnose aussieht, ist etwas ganz anderes. Hier wird zwar konzentrative Selbstversenkung geübt, aber nicht um sich selbst zu hypnotisieren, sondern um sich letzten Endes von aller Hypnose zu befreien. (Siehe letztes Kapitel.) Alle Religionen, die den Menschen wirklich befreien wollen, wollen auch, daß er erwacht. Man kann zwar im hypnotischen Zustand auch wach sein, aber erwacht sein im religiösen Sinn heißt, daß jede Hypnose aufgehört hat. Wenn ich im folgenden Kapitel über Religion spreche, so meine ich das, was die organisierten Kirchen aus der Religion gemacht haben. Die geheime Verwendung der Hypnose in den Medien, in Kirche, Staat und Werbung »Religion ist Opium für das Volk«, hat Karl Marx gesagt. Wie kann Religion, die man ja nicht »einnehmen« kann wie eine Droge und die keinen direkten körperlichen Einfluß ausübt, dennoch die Wirkung eines so starken Rauschmittels haben wie dem Opium? Kirche, Staat und Werbung verwenden die gleichen Techniken, wie der Hypnotiseur bzw. der Hypnotherapeut. Die Kirche ist sicher die älteste dieser Einrichtungen und benutzt diese Techniken am längsten. Nirgends wurde und wird auf so subtile Weise hypnotisiert, wie durch kirchliche Vertreter, Rituale, Symbole, Bauten, Bilder, Musik, Düfte und Gebete. Besonders totalitäre Staatsmänner und mächte haben es verstanden, dies für ihre Zwecke abzuwandeln und nachzuahmen.
Die Schaffung eines Autoritätsgefälles ist sicher die älteste Form der hypnotischen Beeinflussung. Menschen sind ebenso wie jedes Tier durch Autorität zu beeinflussen. Dies beruht nur in den seltensten Fällen auf einer bewußten Entscheidung, sondern ist ein überlebenswichtiger Instinkt. Im Tierreich wird das dominante stets das nachgeordnete Tier beeinflussen können, nicht aber umgekehrt. Der Höhere beeinflußt jeweils die unter ihm stehenden, hypnotische Beeinflussung pflanzt sich durch die Hierarchie fort, bis sich niemand mehr findet, der noch tiefer steht. Das Wissen um die hohe Stellung des anderen macht uns schon befangen, schweigsam, unterwürfig. Der Mächtige fördert dies, er umgibt sich stets mit Menschen und Dingen, die diese Wirkung steigern: ein großer Schreibtisch, ein großes Büro, ehrfürchtige Schranzen. Ein Podest, eine Kanzel, kostbare Kleider, Schmuck, Orden, teure Autos, viele Telefone, bestimmte Gerüche, komplizierte Rituale tun ein übriges. Wenn ein Mächtiger vom Sockel gestoßen wird, sieht man, daß nur dieses Drumherum unsere Trance erzeugt hat, nicht etwa der Mensch, der sich damit umgab. Gerade in diesen Tagen, da ich dies schreibe, verwandelte sich Erich Honecker vom ehrfurchtgebietenden Staatsratsvorsitzenden zu einem mickrigen Männchen, das »im Krankenhausfahrstuhl von Mitpatienten angepöbelt wird,« wie eine Zeitung schreibt. Zwar handelt es sich hier wohl um einen wirklichen Übeltäter, aber glauben Sie, von der Ausstrahlung des Präsidenten Ihres Landes bliebe viel, wenn ein Polizeifotograf ihn im Gefängnis aufnähme, oder wenn man ihn in Handschellen und Sträflingskleidung vorführen würde? Selbst der Papst - die Gläubigen unter Ihnen mögen mir bitte verzeihen - würde sich wahrscheinlich als armes Würstchen entpuppen, wenn man ihn seiner Insignien und seines Hofstaates beraubt. Wenn man die bewußten oder unbewußten Hypnoseversuche des Mächtigeren als solche erkennt, verlieren diese viel von ihrem Einfluß - ja, manches darf man insgeheim als etwas lächerlich einstufen. Wir sehen dann: Der Kaiser trägt keine Kleider. Aber auch im Alltag kann man sich hypnotischer Wirkung entziehen, wenn man sie als solche erkennt: Wenn ein Untergebener zum Beispiel zu seinem Chef gerufen wird, und sich nicht auf den stets angebotenen unbequemen und niedrigen Stuhl vor dessen Schreibtisch setzt, sondern - z. B. unter dem Vorwand, etwas ablegen oder ausbreiten zu wollen - den bequemen Sessel in der Ecke, so wird sein Vorgesetzter ein wenig menschlicher wirken und der Untergebene gleichzeitig etwas von seiner Befangenheit verlieren. Der Hypnotherapeut setzt seine Autoritätswirkung bewußt ein, indem er z.B. einen weißen Arztkittel trägt und sein Behandlungszimmer entsprechend einrichtet. Er wird seine Patienten nicht einschüchtern, aber er wird das natürliche Autoritätsgefälle zum Klienten auch nicht stören, da er dessen unterstützende Wirkung kennt. Viele Ärzte wissen, das eine imposante Praxis und ein eindrucksvolles Ritual auf dem Weg zum und im Sprechzimmer die Heilung außerordentlich fördern können.
In allen Lebensbereichen wird der hypnotische Zustand am häufigsten durch Worte, also durch verbale Suggestion hervorgerufen. Dieses »Hineinführen« in den hypnotischen Zustand nennt man in der Hypnotherapie »Induktion«. Die Induktion ruft die Trance hervor, sie suggeriert die Trance, weitere Suggestionen können dann beliebige Inhalte übertragen. In der Therapie wird weitgehend fast nur die Verbalsuggestion angewandt. Die ältesten Formen der Verbalsuggestion sind Beschwörung, Gebet, Predigt, Ansprache. Beim Militär kennt man die Verbalsuggestion durch Befehl, Anschreien, Kommando, in der Werbung wird durch den Slogan, durch Reime und Lieder, aber auch schon durch den Produktnamen Suggestion ausgeübt. (»Die gute Botteram« - suggeriert Butter und Rahm, oder es wird ganz direkt suggeriert: »Du darfst«, »Nimm zwei« usw.). Fast alle Medien benutzen das Wort, um zu beeinflussen - hierüber mehr im Kapitel über Suggestion. Orgelmusik, Gesänge, Marschlieder, das Singen der Nationalhymne, Sprechchöre versetzen in Trance. Das Läuten von Glocken, militärisches und rituelles Trommeln, Böllerschüsse, Trompetensignale, Erkennungsmelodien, all das erzeugt Trance. In Kaufhäusern kennt man eine spezielle Art von einlullender Musik, die die Kaufhypnose unterstützen soll. Der Hypnotherapeut benutzt gerne Musik als Unterstützung bei der Induktion und auch bei der heilenden Trance. Es gibt bestimmte Arten von Musik, die aufgrund von Konditionierung bestimmte Stimmungen erzeugt (das ist Hypnose!). Allerdings dürfte auch die Musik selbst, unabhängig von der individuellen Konditionierung, eine hypnotische Wirkung ausüben. Zum Beispiel macht Musik aus dem Film »Bilitis« sentimental, fördert das Aufsteigen alter Erinnerungen aus der Kindheit. Ein Straußwalzer aktiviert, weckt die Lebensgeister, »Adagio for Strings« von Barber kann Ruhe vertiefen und gar in den Schlaf lullen. Dane Rudyar schreibt in seinem Buch »Die Magie der Töne«: »Klang ist grundsätzlich das Mittel, magischen Willen zu übertragen.« Und weiter heißt es da: »Magische Töne können besonders kraftvoll sein, wenn sie mit Körperbewegungen verbunden werden, das heißt mit bestimmten Riten und magischem Tanz.« Auch dies sind alte Mittel, in Trance zu versetzen.
Bestimmte festgelegte Bewegungsabläufe, wie Hin- und Herschwingen des Oberkörpers, sich verbeugen, tanzen, sich drehen, Gymnastik, alle Arten von gemeinsamen Übungen (z.B. im 3. Reich oder in Japan) erzeugen Trance. Viele Naturvölker kennen ausgiebige Tanzrituale, um sich zu berauschen, die abendländischen Volkstänze dürften aber letztendlich dem gleichen Zweck dienen. Jugendliche in Diskotheken tanzen rhythmisch, um in Trance zu kommen. Bestimmte rhythmische Bewegungen beim Militär versetzen nicht nur die Soldaten in Trance (um aus einem wilden Haufen eine Kampfmaschine zu machen), sondern auch den Gegner und Zuschauer. Paraden im Gleichschritt haben etwas, was viele Menschen fasziniert. (Alles was große Menschenmengen anzieht, versetzt auch meist in Trance: Jahrmärkte, Demonstrationen, Sportveranstaltungen, Rockkonzerte, Umzüge, Messen.) Eine lange Tradition, sich mit rhythmischen Bewegungen in Trance zu versetzen, gibt es bei den Sufis, einer mohammedanischen Geheimsekte. Seit ältester Zeit kennt man das Anstarren von kultischen Gegenständen, die oft zudem aus glänzendem Material bestehen oder mit glitzernden Steinen verziert sind. Symbole, Abzeichen, Fahnen, Standarten, Orden, Heiligenbilder, Votivtafeln, Ikonen, brennende Kerzen, rote Lämpchen, sie alle sollen zur Fixation einladen und damit eine hypnotische Trance bewirken. Die Werbung hat diesen Bereich ganz besonders gepflegt, es gibt unzählige Methoden, die Aufmerksamkeit durch optische Tricks zu bannen: Neonlampen, Laufschriften, Diawerbung, TV-Werbung, glitzernde Rahmen, Schaufenster, Dekorationen aller Art, blinkende Lichter, Scheinwerfer, »Spotlights«, sich drehende Spiegelkugeln, all das versetzt Menschen in Trance. In Diskotheken wird versucht, die Musik- und Tanztrance durch optische Verfahren (Scheinwerfer, Spiegelkugeln, Laser, Projektionen) noch weiter zu vertiefen. Die so erreichte Trancetiefe dürfte an religiöse Trance, Trance in der Therapie, durch Drogen hervorgerufene Trancezustände herankommen. Bedenken Sie aber bitte, daß Jugendliche dies wissen und sich dem bewußt und willentlich aussetzen. Sie mögen es vielleicht nicht hypnotische Trance nennen, aber der Zustand als solcher ist ihnen bekannt. Viele Menschen gehen in Trance, wenn sie von einer Kamera beobachtet werden. Selbst mächtige und charismatische Menschen wirken manchmal »wie hypnotisiert«, wenn sie fotografiert oder gefilmt werden. Folgende Erklärung bietet sich an: Das Kameraauge ist für unseren Instinkt nicht nur ein Stück Glas, sondern wirkt wie das Auge eines Mächtigeren. Primitive, die nicht wissen, was eine Kamera ist und was man damit macht, können dennoch sehr befangen werden, wenn man sie fotografiert. Viele Tiere benutzen die hypnotische Wirkung ihrer (oft durch auffällige Musterung vergrößerten) Augen, oder tragen gar »gemalte« Augen an ihrem Körper, die Feinde abschrecken können. Z.B. zeigen manche Schmetterlinge gar die unsymmetrischen Glanzlichter eines Wirbeltierauges, worauf Singvögel mit Schrecken reagieren. Und Schrecken hat hypnotische Wirkung. Die Fixationsmethode war früher bei den Hypnotherapeuten äußerst beliebt, auch heute wird sie wohl noch häufig benutzt. Man läßt den Klienten einen Gegenstand, am besten den Finger des Therapeuten, fixieren und spricht gleichzeitig zu ihm. Allein das »Schielen« der Augen führt schon zu deren Ermüdung und läßt den Wunsch entstehen, diese bald zu schließen. Angeblich sollen die für das Schielen verantwortlichen Muskeln über bestimmte Nerven auch mit dem Schlafzentrum im Gehirn verbunden sein, was vielleicht zu einer Umschaltung der Bewußtseinslage führt. Wenn man dann noch bittet, nicht zu blinzeln, kommt Brennen der Augen, Unscharfsehen, Doppeltsehen hinzu. Außerdem ermüden die Sehzapfen und erzeugen Nachbilder, die wiederum durch das doch unvermeidliche leichte Bewegen der Augäpfel merkwürdige geisterartige Ränder um den fixierten Gegenstand bilden. Langdauerndes Starren führt zu regelrechten Halluzinationen. Manche religiöse Ekstase, manche »Erscheinung« von Heiligen oder Engeln dürfte auf diese Mechanismen zurückzuführen sein. Wenn Sie eine Statue oder ein Bild lange anstarren, scheint es sich nach einer gewissen Zeit zu bewegen, (besonders Mund und Augen!), oder sich zu verwandeln. Durch die flimmernden Nachbilder bekommt es gar einen Heiligenschein, eine Aura! In der Therapie wird der Hypnotiseur es aber selten so weit kommen lassen, weil er vorher den Klienten verbal dazu gebracht hat, die Augen zu schließen. Manche Therapeuten blicken auch starr in das Auge des Klienten, und bitten diesen, ihrerseits das Auge des Hypnotiseurs zu fixieren. Bei dieser Methode kann es dem Therapeuten passieren, daß er selbst in Trance geht. Außerdem fühlen sich viele Menschen herausgefordert, aus diesem Blickkontakt einen Zweikampf zu machen, was nicht der Sinn der Sache ist. Gegenstände des Alltags soll man nicht zur Fixation verwenden, weil diese dem Patienten irgendwann wiederbegegnen und dann eine spontane Trance auslösen können. Wenn Sie irgendwo glitzernde Gegenstände oder auffällige Objekte entdecken: Vorsicht, man will Sie hypnotisieren. Dies mag keine bewußte Absicht sein, aber unbewußt hofft die ältere Dame, Sie durch das Diamantendiadem auf ihrer Stirn oder die schweren Klunker an ihren Ohren zu becircen, möchte der Schaufenstergestalter Sie zum Stehenbleiben veranlassen, will der Kirchenarchitekt Sie zum Niederknien zwingen, sollen Sie vor dem eindrucksvollen Wappen eines Amtssitzes das Haupt beugen. Es gibt bestimmte Reiz-Reaktionsketten, die nicht nur unterhalb der Bewußtseinsschwelle ablaufen, sondern auch das Großhirn gar nicht benötigen. Es handelt sich um sehr alte Verhaltensmuster, die noch aus »tierischer« Zeit stammen. Daß bestimmte Reize direkt auf das Kleinhirn oder Rückenmark wirken, war damals überlebenswichtig und ist es zum Teil auch heute noch. Bei vielen Tieren sind bestimmte Arten von Sehzellen direkt mit dem Zentralnervensystem verbunden und lösen daher augenblicklich eine Reaktion aus, viel schneller, als wenn erst ein Umweg durch andere Gehirnteile gemacht werden müßte. So zum Beispiel, wenn ein großer dunkler Gegenstand sich in einer bestimmten Richtung über das Sehfeld bewegt (Kaninchen - Fluchtreflex wird ausgelöst), oder wenn ein kleines dunkles Objekt vorüberhuscht (Leopardfrosch - Jagdreflex wird ausgelöst). Die Forscher nennen diese speziellen Zellen des Augenhintergrunds »Käferdetektoren«. Auch beim Menschen gibt es schnelle Reizleitungen, ein plötzlich erscheinender großer Schatten läßt uns zusammenzucken oder niederducken, ein sich schnell bewegendes kleines Objekt läßt uns je nach Größe erschrecken, ausweichen oder eine reflektorische Fangbewegung machen. Die schnellen Reaktionen bei Tennisspielen z.B. sind nur möglich, weil es sich um derartige Reflexe handelt; würde man erst denken und analysieren wollen, könnte man nicht adäquat reagieren. Alle Panik- und Schreckreaktionen, Aggression, Angst, Kampfreflexe sind wahrscheinlich Zwischenhirnmuster, ebenso Greifreflexe und der Sammeltrieb. Dies machen sich Supermärkte und Kaufhäuser zunutze, indem sie Wühltische aufstellen, die Produkte in Regalen zum Anfassen plazieren und zur Benutzung großer Wagen animieren. Die Hersteller von Produkten und Verpackungen gestalten diese so, daß man gerne danach greift und nicht mehr loslassen mag. Bei der Entwicklung neuer Packungen, Flaschenformen, Dosen usw. filmt man Menschen, die vorher vor eine Reihe von Mustern plaziert wurden. Dann wertet man aus, wer in welcher Weise nach welcher Packung in welcher Reihenfolge greift. Weitere Zwischenhirnmuster finden wir in den Bereichen Auto, Wohnen und Bauen (Reviergründung und verteidigung), Essen und Trinken, Bekleidung, Familie und Kinder (Brutpflege) und Sexualität. Daß mit Sex geworben wird, ist eine Binsenweisheit, daß diese Werbung bestens funktioniert, ebenfalls. Daß ähnliche Tricks mit dem Brutpflegetrieb - besonders bei der Zielgruppe Frauen und Kinder - angewendet werden, ist schon weniger bekannt. Alles, was »herzig«, kuschelig, heimelig auf uns wirkt, benutzt solche Muster. Ein Teddy wirbt für eine Kondensmilch, Wäsche muß schön flauschig sein, der gesamte Werbekult um Hunde und Katzen und mit Tieren reitet auf dieser Welle. Die suggestive Wirkung der Werbung für Essen und Trinken dürfte offensichtlich sein. Wer hat nicht schon Lust auf ein Bier verspürt, als er das große leuchtende gelbe Glas sah, oder die kleinen Tröpfchen einer Coca-Cola-Werbung, wem ist nicht schon das Wasser im Munde zusammengelaufen beim Anblick eines Bildes (!) von einem leckeren Braten oder angesichts einer Wurstauslage. Dies sind so banale Alltagserfahrungen, daß man sich schon gar nicht mehr der Tatsache bewußt ist, daß all das völlig überflüssig wäre, denn: Wenn man Hunger hat, ißt man, so einfach wäre das. Aber die gewaltige Industrie um Essen und Trinken muß leben. (Und die noch gewaltigere Industrie um die schlimmen Folgen des Essens und Trinkens ebenfalls - Appetitzügler, Abführmittel, Diätzeitschriften, Ernährungsbücher, Kliniken, Ärzte usw., sie alle leben von dem Zwischenhirnmuster, das offensichtlich nicht durch Vernunft ersetzt werden kann, sie alle leben letztendlich von der hypnotischen Trance, in der sich der Mensch offensichtlich pausenlos befindet. Ihre Suggestionen lauten: »Du darfst, Nimm Zwei, Trink Coca-Cola, Man gönnt sich ja sonst nichts, Lila Pause« usw.) Der Hypnotherapeut benutzt Zwischenhirnmuster im allgemeinen nicht, allerdings sind von M. Erickson einige Techniken überliefert, die auf einem (zarten) Erschrecken oder auf einem intelligenten Spiel mit der Sexualität seiner Klienten beruhen. So stocherte der berühmte Mann einmal mit seiner Krücke unter dem Kleid einer Klientin, worauf diese, sowie der anwesende Ehemann vor Schreck in Trance fielen. Jeder Hypnotiseur weiß, daß man mit einer Gruppe von Menschen meist besser arbeiten kann, als mit einem einzelnen. Jeder Redner weiß, daß eine Rede um so stärker wirkt, je mehr Menschen anwesend sind, sogar der Redner selbst kann dem Rausch erliegen, den eine gute Rede erzeugen kann. Aber auch ein gemeinsames Gebet, ein Gesang, ein gemeinsames Ritual kann eine Gruppenhypnose erzeugen. In Kirchen, an Wallfahrtsorten, beim Segen »Urbi et Orbi« des Papstes, in Partei- und Wahlversammlungen, bei militärischen Aufmärschen, in Werbeveranstaltungen, beim Sport, bei Rockkonzerten tritt die Massenhypnose auf. Hierüber mehr im entsprechenden Kapitel. Ich bin nicht immer explizit darauf eingegangen, daß die Kirche meist als erste die vorgenannten Techniken der Hypnose benutzt hat und noch benutzt. Allerdings verliert sie langsam aber sicher ihr Terrain an andere Bereiche des Lebens; an den Sport, an die Werbung, an große musikalische Trends, Symbolfiguren und Veranstaltungen, wobei zu beachten ist, daß sich diese Bereiche sehr durchdringen und miteinander verbündet haben, so daß sie vielleicht eines Tages etwas Neues hervorbringen werden, etwas, das gar einer neuen Religion gleichkommt. Aber noch sind die Amtskirchen stark. Doch auch religiöse Randerscheinungen, wie Sekten, religiöse Gruppen, »Jugendreligionen« sind hier nicht zu unterschätzen. Sie alle arbeiten mit hypnotischen Techniken. Eine Journalistin berichtet in der Zeitschrift »BIO-Spezial« aus dem Kloster des indischen Gurus Sri Sathya Sai Baba: »Nach einiger Zeit werden wir in den Innenhof gelassen. Mir scheint, als ob jeder um sein Leben rennt, um einen Platz möglichst nahe an der Tempelhalle zu ergattern. Mein Verstand revoltiert: Warum, um Himmels willen, lasse ich mich auf ein solches »Wettlaufen« ein! Bin ich schon in den Bann des »Gott-Menschen« geraten? Ich spüre den ungeheuren Sog dieser Menschenmassen. Fühle mich wie eine Gefangene, die jetzt nicht mehr weg kann und auch gar nicht mehr will. Ist es jounalistische Neugierde, Sensationslust oder das geballte Energiefeld der rund 10 000 Menschen, das mich festhält? Eine undefinierbare Angst rumort in meiner Magengrube, gleichzeitig empfinde ich so etwas wie Faszination. Als langsam Ruhe einkehrt, entdecke ich die Schwerstkranken auf Bahren und Rollstühlen. Gelähmte, Blinde, Leprakranke, Verkrüppelte. Ihr Anblick läßt mir meine inneren Probleme lächerlich erscheinen und schrumpfen. Plötzlich geht ein Raunen durch die Reihen. Durch ein Spalier von zwölf weißgekleideten Männern kommt bedächtig und langsam eine kleine Figur. Reihenweise fallen die Menschen vor der sich anmutig bewegenden Gestalt auf die Knie. Der Avatar macht mit den Händen gelegentlich kreisförmige Bewegungen. Aus der Entfernung sehe ich daraus goldene, silberne und bunte Gegenstände aufblitzen, die er verteilt. In seinem Gesicht entdecke ich Mitgefühl, Wärme, Liebe. Dann wieder hat er einen fast abwesenden, nach innen gewandten Blick. Einige strecken die Hände nach ihm aus, rufen nach ihm oder beginnen laut zu schluchzen. Trotz meiner Absicht, nüchtern und neutral zu bleiben, bin ich von diesem Geschehen zutiefst berührt. Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Empfindungen werden wieder wach: Lourdes, Papstaudienz, die Siegerehrung während der Münchner Olympiade. Situationen, die ich persönlich miterlebt hatte und die bei mir ähnliche Reaktionen auslösten.« Obwohl die Schreiberin nicht den Begriff Hypnose verwendet, so mag sie doch ahnen, daß es sich um eine solche handelt. Denn sie benutzt die Worte »Bann«, »Sog«, sie will »nüchtern und neutral« bleiben, ist aber »zutiefst berührt«. Und warum sollte sie etwas tun, wogegen ihr Verstand gleichzeitig revoltiert? Warum ist sie fasziniert, während gleichzeitig ihr Magen revoltiert? Warum sagt sie, sie wolle gar nicht mehr weg, obwohl sie sich wie eine Gefangene fühlt? Diese inneren Widersprüche sind typisch für eine hypnotische Trance und wären im normalen Alltag undenkbar. Sie können an diesem Beispiel auch sehr schön sehen, wie die aggressive Stimmung (Wegwollen, der Verstand revoltiert, Gefangene, Angst rumort) zunächst mit der vom Guru womöglich erwünschten ruhigen, meditativen, evtl. liebevollen und mitfühlenden, vielleicht aber auch unterwürfigen Grundhaltung im Widerstreit liegt und dann in die typische Massentrance übergeht. (Lourdes, Papstaudienz, Olympiade.) Die Überschrift zu diesem Kapitel lautet »Hypnose ist Opium für das Volk«, denn sie ist der »Wirkstoff«, den Karl Marx bei der Religion ausgemacht hat und der sich heute in allen Bereichen breit gemacht hat, die die große Masse der Menschen erreichen wollen. Schon immer hat die Religion auch im heilerischen Bereich gearbeitet, ob es sich nun um seelische oder körperliche Krankheiten handelte. Denken Sie an Medizinmänner, Schamanen, an den christlichen Exorzismus. Auch die religiösen Heiler bedienten sich stets hypnotischer Techniken. Die Verquickung von Religion, Hypnose und Medizin war wohl am ausgeprägtesten bei den Griechen und später bei den Römern im Kult des Asklepios (der römische Name einer mythologischen Gestalt, die sich im Laufe der Geschichte von einer legendären Figur zum Gott wandelte). Bei den Griechen hieß diese Figur Äskulap, wir kennen den Namen vom Äskulapstab, dem »Wappen« aller Ärzte. Es ist in diesem Zusammenhang anzumerken, daß, obwohl die Hypnose zumindest in Deutschland bei der Ärzteschaft nicht besonders angesehen ist, sich die gleiche Ärzteschaft eines Symbols bedient, das im Altertum eben für Hypnosebehandlung stand - vielleicht ist es auch kein Zufall, daß sich um den Stab des Äskulap eine Schlange windet, Hypnose gibt es eben schon »seit Adam und Eva«!
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