Die Chance AIDS

Vorwort von Dr. Klaus P. Horn

Die »Chance AIDS« ist eine Provokation. Moritz Boerner kehrt in einer lässigen Drehung den kollektiven Abwehrspieß unvermittelt um und läßt ihn zum Stachel werden, der die Selbstgerechten zu Betroffenen macht.

Während an jeder Ecke Plakate dazu mahnen »AIDS keine Chance« zu geben, fordert der Autor dazu auf, gerade in AIDS die Chance zu erkennen. In der Realität der Infektion und ihrer Folgen sieht er die Chance für den einzelnen Betroffenen, sich selbst und dem tieferen Kern und Ursprung seines Lebens auf die Spur zu kommen.

Anders als viele gängige Provokationen ist dieses Buch nicht destruktiv, zynisch oder anklagend, sondern macht Mut und zeigt konkret, wie betroffene Menschen diese existentielle, totale Krise AIDS annehmen können.

Wir sind gewohnt, Krisen als Gefahrenherde zu betrachten, die möglichst schnell und effektiv abgewehrt, ausgemerzt oder herausgeschnitten werden müssen. Am liebsten hätten wir Krisen ganz aus der Welt, damit wir uns bequem zurücklehnen können in den eigenen rosaroten Traum. »Positiv denken« nennen manche diesen Vorgang der Ausblendung, in dem man die Wirklichkeit als Vorgarten seines Weltbildes anlegt. Doch das Augenschließen dient nicht immer der Wahrheitsfindung, wie wir an dieser Krisen-Chance AIDS sehr deutlich sehen müssen.

Im Chinesischen benutzt man für den Begriff »Krise« das gleiche Wort wie für den Begriff »Chance«. Chance und Krise werden von den Weisheitslehren der Menschheit seit jeher als zwei Seiten einer Medaille gesehen, als gegensätzliche Erscheinungsform eines umfassenden Ganzen.

Sich selbst in dieser Ganzheit und Einheit wiederzuentdecken bedeutet wirkliche Heilung - und dazu bietet uns AIDS, sagt Moritz Boerner, die Chance. Denn die Krankheit, unter der wir wirklich leiden, ob infiziert oder nicht,ist die Trennung, die Abspaltung des »Guten« vom »Bösen«, die Verpanzerung des Ichs in der Schale seiner Privatwelt.

AIDS stellt nun diese Kruste, die uns von unserer Umgebung trennt, radikal und grundsätzlich, nämlich physisch, in Frage. AIDS zersetzt die Immunität des Einzelnen gegen das gefährliche Außen: Nun kann das »böse Außen« in das »gute Innen« hinein.

Das selbstgerechte Ich kann ohne Schatten, den es bekämpft, nicht sein. Integriert es den Schatten, das »böse Außen«, verliert es sich selbst.

 Das ist die große Angst, oder, wie Boerner sagt, die »große Chance«: Offenheit. Alle reden von Offenheit. AIDS schafft sie, ganz konkret, völlige physische Offenheit und Empfänglichkeit für die gesamte lebendige Umgebung, auch die »bösen« Keime. AIDS begnügt sich nicht mit guten Worten, Lippenbekenntnissen, aufgewärmter Tiefkühlkost. AIDS ist radikal und kompromißlos.

An viele großstädtische Mauern ist der Spruch gesprüht, den ein jüngerer deutscher Autor geprägt hat: »Die Atombombe ist der einzige Buddha, den der Westen versteht«. Das ist überholt. AIDS ist ein zweiter Buddha, den die Welt verstehen lernen kann, ein unberechenbarer Geselle. Sanft und unmerklich kommt er näher, bis er urplötzlich markerschütternd aufbrüllt: »Wach auf! Deine Zeit ist um! Erkenne jetzt!« Dieser Buddha macht nicht viel Worte. Er hebt die Käseglocke einfach hoch, reißt die Fenster auf, zerbricht das Eis, das nicht schmelzen will - wie ein kosmischer Rambo führt er sich auf und ist dabei ganz still.

Noch ist für viele die Ausgrenzung möglich, noch sind ja die anderen die Infizierten, die so mancher gerne unschädlich machen würde.

Noch umgeben und schützen Immunsysteme das ängstliche in die Enge getriebene Ich. Verwoben mit der biolo-gischen Abwehr ist die emotionale Immunität der Hartherzigen, der unbarmherzigen Rechtgläubigen und Richtigwissenden. Über allem aber schwebt das grandiose Immunsystem des menschlichen Verstandes: die Blindheit. Dieser undurchdringliche Schleier deckt alles zu, was nicht sein kann, weil es nicht sein darf.

Genau hier setzt AIDS an, reißt Zäune und Mauern ein zwischen Ich und Welt, zwischen Freund und Feind, schwarz und weiß, »denen« und »uns« und schafft eine ungeteilte gemeinsame Wirklichkeit. Berichte von Betroffenen belegen eindrucksvoll diese neue Nähe und Einfachheit unter den »Positiven« und ihren Freunden. Es gibt keine Immunität mehr, keinen Damm gegen die Flut und damit die »große Chance« zur Freiheit, zum Leben und Sterben in Offenheit und Weite, außerhalb der Mauern der Angst - für alle Menschen.

Diese Vision erfüllt große Teile des Buches, die Boerner, wie er sagt, in Trance »gechannelt« hat. Wie immer der Leser die Realität tieferer Schichten der Wahrnehmung selbst sehen mag - ob geteilt in Empfangenden und Gebenden wie im christlichen Gebet oder als Einsicht wie im Zen-Buddhismus - es ändert nichts am Gehalt dieser Erfahrungen. Boerner schreibt seine Botschaften in einfacher, bildhafter Sprache, die wie Dichtung gelesen, aber auch für praktische Übungen benutzt werden können.

Moritz Boerners Buch ist lebendig, nicht perfekt. Wer es wissenschaftlich auseinanderpflücken will, kann das sicherlich tun - ohne ihm damit wirklich gerecht zu werden. Wer sich aber inspirieren und aufrütteln läßt von seinen Texten und direkten Appellen, kann für das eigene Leben etwas gewinnen. Und alle diejenigen, die es sowieso und besser wissen auch.

Dr. Klaus P. Horn

 

Dr. Klaus P. Horn ist Sozialpädagoge und Psychotherapeut und leitet bewußtseinsbildende Seminare für Manager.

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